Mal Hand aufs Herz: Glaubst du Gluten oder Soja sind ungesund und es wäre sogar besser, sie komplett zu streichen? Dann bist du höchstwahrscheinlich Food Trends zum Opfer gefallen. Das Schlimme daran ist, dass viele Food Trends deine Esskultur versauen und die Verbindung zu deinen Gelüsten und Bedürfnissen verkümmern lassen. Food Trends können auch der Umstellung zur pflanzlichen Ernährung im Weg stehen. Was kurzlebige Hypes anrichten können, wie man sie durchschaut und durch eigenen Geschmack erfüllter isst.
Gluten und Soja - Bösewichte der Food Trends
Gluten und Soja sind sehr gute Beispiele dafür, wie sich ein Trend verselbstständigt und in den Köpfen der Menschen festsaugt. Wer hat noch nicht mindestens 43-mal gehört oder gelesen, dass Gluten schuld ist an dem was krumm liegt im Magen und Soja einen löchrigen Darm mitsamt Blähungen und Kopfschmerzen auslöst? Dabei ist nur im absoluten Ausnahmefall etwas dran an diesen aufgeblähten Behauptungen, zum Beispiel im Falle einer echten Allergie.
Zöliakie ist ein solcher Ausnahmefall, eine diagnostizierbare, größtenteils erblich bedingte Krankheit, bei der Gluten den Darm nachhaltig schädigt. Vergleicht man die Zahlen der Betroffenen, das sind je nach Schätzung 0,3 bis 0,7 % der Menschen 1 2 3, dann erscheint der in der Gesellschaft vorherrschende Zwang Gluten zu meiden jedoch extrem übersteigert. Das belegen Umsatzsteigerungen für glutenfreie Produkte schwarz auf weiß 4 5 6. Zudem konnten ausführliche wissenschaftliche Untersuchungen keinen Zusammenhang zwischen Gluten und den auftretenden Beschwerden finden.
Und trotzdem, Gluten bleibt mit ungesund und ungünstig zusammengekettet in dem Eck unseres Gehirns verhaftet, das den Konsum bestimmt. Das gleiche gilt übrigens für Soja, für das es eine sehr ähnliche Beweislage gibt.
Schon diese beiden Beispiele erfüllen mit Bedauern, denn der Verzicht auf Gluten ist gleichbedeutend mit einem Vollkornverzicht und mit Soja verzichtet man auf die proteinreichste Hülsenfrucht von allen, mit nachgewiesener Wirkung gegen Brustkrebs 7 oder hohe Blutfettwerte 8.
Food Trends - Gekommen um zu bleiben?
Ein Food Trend ist per Definition nicht gekommen um zu bleiben, sondern ein eher kurzzeitiger Wechsel in den Vorlieben der Verbraucher. Doch egal wie zwielichtig der Beweggrund des Trendsetters war, manche schwirren länger durch unsere Köpfe und die Einkaufsregale im Supermarkt, als sie es verdient hätten.
Trends sind Low Carb oder die neu aufgeblühte Version davon: Keto. Ich selbst habe lange Zeit versucht, nach diesen Prinzipien zu essen, mit keinem merklichen Ergebnis, bis auf Einschränkung, Unzufriedenheit und vermutlich viel zu hohem Konsum tierischer Produkte - mit dem Nebeneffekt, meine Gesundheit unnötig gefährdet zu haben.
Bei den Studien, die fleißige Geburtshelfer dieser Low Carb Trends gewesen sind, wurde viel zu oft die Unterscheidung von verarbeiteten und vollwertigen Kohlenhydraten vergessen. Anders bei Paleo, das unterscheidet aufopferungsvoll zwischen Fabrik und Feld, doch vergisst dabei, dass unbändiger Verzehr von tierischen Produkten Niere, Leber und Herz letztlich auch nicht besser dastehen lässt.
Hengst oder Stute - Worauf setzen?
Ein Trend ist oft wie ein junger, unzähmbarer Hengst, der sich ungestüm aufbäumt, machtvoll davongaloppiert und vor lauter Übermut mitsamt Reiter die nächste Klippe hinunterstürzt. Im Gegensatz dazu steht die ausdauernde Stute des tiefgreifenden Wandlungsprozesses, die den Konsumenten nachhaltig zum Ziel bringt.
Aber woher weißt du, auf welches Pferd du setzen sollst? Bevor du Tipps bekommst, um deinem Ritt in den Abgrund zu entkommen, schauen wir in den Abgrund.
Food Trends erschweren pflanzliche Ernährung
Ist Veganismus Trend? Nein. Pflanzenbasierte Ernährung ist die Zukunft. Egal ob du das persönlich im Moment ähnlich siehst oder nicht, wir alle sind Teil dieses grundlegenden Wandels, ohne den unsere Erde und wir in wenigen Jahrzehnten nicht mehr überleben können.
Viele andere Food Trends jedoch, wie glutenfrei oder keto zum Beispiel, werden für immer ein Nischendasein fristen. Doch obwohl viele Food Trends zeitlich und logisch begrenzt sind, sabotieren sie deine heutige Umstellung zu pflanzenbasiert.
Die Entstehungsgeschichte vieler Food Trends ist banal, ganz im Gegensatz zu den Konsequenzen, die oft schwer wiegen, und deine und die Zukunft der Erde nachhaltig beeinflussen. Darum ist es wichtig, dass du den Einfluss der Food Trends auf deine Ernährung verstehst und hinterfragst.
Wenn der Trend zur Blockade wird
Warum ist der unreflektierte Food Trend, der sich heimlich in unseren Köpfen festsaugt wie eine Zecke im Nacken des ungeliebten Straßenhundes, schlimm? Wenn du diesem Gedanken einmal nachgehst, dann kommst du sehr geradlinig zum Ziel desselben.
Bedeutung Food Trends für deine Selbststeuerung
Stück für Stück geraten deine eigenen Bedürfnisse und wahren Geschmäcker ins Hintertreffen. Sie werden verdrängt von dem Geschwätz, dem du dich nicht entziehen kannst, deine eigenen Signale verblassen und werden kraftlos.
Wenn du ganz ehrlich zu deinem Magen bist, dann hast du Lust auf ein herzhaftes Bauernbrot, aber der Bericht über Low Carb auf dem Privatsender ist dir quer im Halse stecken geblieben und so entscheidest du dich für Low Carb Zoodels mit Öl und Käse. Tomatensauce auf den Zucchininudeln geht ja auch nicht, die haben zu viel vom gefährlichen Fruchtzucker.
Das Ergebnis: Du befriedigst deine Bedürfnisse nicht. Das kommt so schlagkräftig zurück wie ein Bumerang während einer unerwarteten Ablenkung. Konsequenzen sind schlechte Laune, Heißhunger, keine Sättigung und blasse Gesundheit, weil der Körper normal eine Selbststeuerung besitzt, die dir sagen kann, was du wirklich brauchst.
Auch bezogen auf Nährstoffe gilt es, manchen Trend zu hinterfragen: glutenfreie Produkte enthalten viel weniger Mineralstoffe und Vitamine als Vollkorn 9. Mit keto, das ein Universum an nährstoffprotzenden Lebensmitteln aufgrund von ein paar Gramm Kohlenhydraten beiseite schiebt, verzichten viele auf wertvolle Vitamine, Ballast- und sekundäre Pflanzenstoffe.
Foodtrends und Umstellung zu pflanzenbasiert
Nimm das Beispiel Keto oder Low Carb. Nur pflanzliche Lebensmittel liefern Kohlenhydrate. Keine Kohlenhydrate bedeutet so gut wie keine Pflanzen im Ernährungsplan. Wenn, dann so eingeschränkt, dass die Vorteile der pflanzenbasierten Ernährung verwässert werden, was das Beispiel keto vegan verdeutlicht.
Was machst du, wenn du gerade im Prozess der Umstellung zu mehr pflanzlich steckst, ein Prozess vergleichbar mit dem Heranwachsen eines zarten, empfindlichen Keimlings, und dir hämmert es aus deiner Konsumecke im Hirn wieder „vorsicht Carbs, vorsicht Carbs, vorsicht Carbs“ ? Dann überlegst du dir mindestens zweimal, ob du weiter heranwächst und die mutige Umstellung zur vegetarischen oder veganen Ernährung durchziehst, wo Kohlenhydrate doch eh eine Weizenwampe und dumm wie Brot machen.
Lösung: Durchschaue die Masche
Es geht meist um die Geldbörse, manchmal ums Geld aber fast immer ums Portmonee.
Jemand kommt mit einem Trend und hat dann natürlich jede Möglichkeit, das auch in Geld umzumünzen. Die neuen Jünger brauchen Anleitung und Bestätigung und verlangen nach Rezepten, Ratgebern und spezialisierten Lebensmitteln.
Beispiel Keto. In Grenzfällen wie zur Behandlung von Epilepsie oder beim Abnehmen kann keto wahrscheinlich helfen. Darüber hinaus ist es für die alltägliche Ernährung nicht mehr als ein Trend, der die Menschen Unwahrheiten glauben lässt. Denn eigentlich:
- 1sind Kohlenhydrate nicht schlimm oder ungesund;
- 2sind viel Fett und Protein von tierischen Lebensmitteln immer ungesund;
- 3verschafft es keinen Vorteil, zugunsten von Fett pauschal Kohlenhydrate zu reduzieren.
Doch leider sitzen diese ganzen Vorurteile in den Ecken der Köpfe wie Spinnweben, an die niemand rankommt, nicht mal mit ausgestrecktem Arm samt Besenstiel.
Tipps für selbstbestimmte Ernährung trotz Food Trends
Tipp für deine selbstbestimmte Ernährung: Isst du das, wonach du dich wirklich fühlst? Oder hast du manchmal eine Stimme im Ohr, die dir sagt, Fett ist gut, Kohlenhydrate schlecht und Soja oder Gluten giftig? Wenn du das Gefühl hast, dich verbiegen zu müssen, dann ist es das erste Zeichen, dass du etwas ändern solltest.
Versuche guten Gewissens auf deine Lust zu hören und lass deine Glaubenssätze beiseite. Frage dich ehrlich, welchen Prinzipien du bewusst oder vielleicht unbewusst nacheiferst, geh ihnen auf den Grund und fang an nach deiner wahren Lust zu essen.
Tipp für deine pflanzliche Ernährung: Kohlenhydrate sind nicht schlecht, so wie Low Carb, Atkins oder Keto weismachen. Pflanzen liefern nicht nur Unmengen von Nährstoffen, sie enthalten auch Kohlenhydrate. Klar also, dass ein schlechtes Gewissen gegenüber Kohlenhydraten deinen pflanzlichen Weg sabotieren kann.
Kohlenhydrate verallgemeinern bringt nichts. So wie tierisches Protein völlig anders auf den Organismus wirkt als pflanzliches, nämlich potenziell lebensverkürzend im Gegensatz zu lebensverlängernd, so ist das auch mit verschiedenen Kohlenhydraten. Und die Trennung hier ist ebenso eindeutig: verarbeitet oder nicht, ausgesiebt oder nicht, nichts mehr oder alles drin.
Entscheide dich für die Stute und gegen Food Trends, die wie der übermütige Hengst galoppieren, dann kommst du sicher an deinem Ziel der befriedigenden, pflanzlichen Ernährung an.
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Quellenverzeichnis
- Riddle, M. S., Murray, J. A. & Porter, C. K. (2012) The incidence and risk of celiac disease in a healthy US adult population. Am. J. Gastroenterol. 107, 1248–1255.[↩]
- Koletzko, S. (2013) Diagnose und Therapie der Zöliakie im Kindesalter. Monatsschr. Kinderheilkd. 161, 63–78.[↩]
- Singh, P. et al. (2018) Global prevalence of celiac disease: systematic review and meta-analysis. Clin. Gastroenterol. Hepatol. 16, 823-836.e2.[↩]
- McCarter, D. F. (2014) Non-celiac gluten sensitivity: Important diagnosis or dietary fad? Am. Fam. Physician 89, 82–83[↩]
- Niland, B. & Cash, B. D. (2018) Health benefits and adverse effects of a gluten-free diet in non-celiac disease patients. Gastroenterol. Hepatol. 14, 82–91[↩]
- Henrich, P. Umsatz mit glutenfreien Produkten im Lebensmittelhandel in Deutschland in den Jahren 2016 und 2017. Statista (2020). Available at: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/257797/umfrage/umsatzwicklung-bei-glutenfreien-produkten-in-deutschland/(Accessed: 09th Feb 2021).[↩]
- Shu XO, Zheng Y, Cai H, Gu K, Chen Z, Zheng W, et al. Soy food intake and breast cancer survival. JAMA - J Am Med Assoc. 2009;302(22):2437–43.[↩]
- Desroches S, Mauger J-F, Ausman LM, Lichtenstein AH, Lamarche B. Soy protein favorably affects LDL size independently of isoflavones in hypercholesterolemic men and women. J Nutr. 2004;134(3):574–9.[↩]
- Lebwohl, B. et al. (2017) Long term gluten consumption in adults without celiac disease and risk of coronary heart disease: prospective cohort study. BMJ 357, j1892[↩]